Zusammenhang zwischen Ernährung und MS im Fokus der Wissenschaft
Eine spezielle MS-Diät gibt es nicht. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass die Multiple Sklerose nicht durch die Ernährung zu beeinflussen ist. Die Zusammenhänge zwischen Ernährung und MS geraten in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Wissenschaft.
Das Mikrobiom hat Einfluss auf verschiedene Erkrankungen, darunter offenbar auch die MS. Dabei gibt es Hinweise, dass bei der MS die Zusammensetzung der Darmflora Auswirkungen auf das Krankheitsgeschehen hat.
Vermittelt werden diese möglicherweise über Effekte der Darmbakterien auf das Immunsystem, die Entzündungsprozesse fördern können. Es wird beispielsweise vermutet, dass ein zu geringer Verzehr von Ballaststoffen zu einem Ungleichgewicht der Darmflora führt, infolge dessen Bakterien dann zu wenig kurzkettige Fettsäuren und insbesondere zu wenig Butyrate bilden. Butyrate aber scheinen regulatorische T-Zellen zu stimulieren. Fehlen die kurzkettigen Fettsäuren, so könnte dies die Manifestation einer Multiplen Sklerose triggern, so die Hypothese. Tierexperimentelle Befunde, wonach Butyrate die Entzündungsaktivität bremsen und Autoimmunerkrankungen entgegenwirken können, scheinen das zu bestätigen.
Möglicherweise kann auch ein zu hoher Kochsalzkonsum die Manifestation einer Multiplen Sklerose begünstigen. Darauf weisen Untersuchungen am EAE-Mausmodell (experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis) hin. Die Tiere entwickeln unter salzreicher Kost eine deutlich schwerere Erkrankung und zeigen eine höhere Krankheitsaktivität. Gleichzeitig ist eine vermehrte Bildung von Interleukin 17 (IL17) nachweisbar, so dass davon auszugehen ist, dass eine hohe NaCl-Belastung die Bildung proinflammatorischer Mediatoren wie IL17 fördern und damit möglicherweise eine Multiple Sklerose begünstigen kann.1
Vermittelt werden könnte der Kochsalzeffekt über die Darmflora, so die aktuellen Vermutungen. Im Mausmodell führte eine salzreiche Kost zu deutlichen Veränderungen der Bakterienverhältnisse im Darm. Insbesondere die Zahl bestimmter Laktobazillen wurde stark verringert.
Laktobazillen bilden Indol-3-Milchsäure (ILA). Diese ist an der Regulation von Immunantworten beteiligt und sorgt normalerweise für die Bildung entzündungshemmender Mediatoren.2 Fehlen Laktobazillen, so ist die Konzentration an Indol-3-Milchsäure zwangsläufig geringer, was möglicherweise entzündliche Immunreaktionen induzieren kann.
Aus der sogenannten IGEL-Studie gibt es Hinweise darauf, dass sich die schubförmig-remittierende Multiple Sklerose durch eine ketogene Diät und durch modifiziertes Fasten positiv beeinflussen lässt. Das Ergebnis dieser Pilotstudie zu verifizieren, ist Ziel der Nachfolgestudie NAMS (Nutritional Approaches in Multiple Sclerosis) des NeuroCure Clinical Research Centers der Charité Universitätsmedizin in Zusammenarbeit mit dem Immanuel Krankenhaus in Berlin. Es werden dabei die Auswirkungen verschiedener Ernährungskonzepte auf den Verlauf der MS und auf spezielle Krankheitsparameter wie beispielsweise die Schubrate, die Entwicklung neuer Läsionen im Gehirn und die Lebensqualität der Patienten geprüft. Untersucht werden die Effekte von:
Obwohl eine spezielle Diät bei der Multiplen Sklerose nicht empfohlen wird, sollten die Betroffenen doch einige Regeln beachten. Es geht dabei primär um eine allgemein gesunde Ernährung, wie sie auch Personen ohne MS zu raten ist. Acht Tipps für die Ernährung bei MS sind auf der Webseite der Patientenorganisation Amsel zusammengestellt worden (www.amsel.de, Rubrik: News/Medizin/Therapie).
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Ernährungsfaktoren haben möglicherweise Einfluss auf die Manifestation und den Verlauf einer Multiplen Sklerose. Allerdings gibt es noch viele offene Fragen zu Effekten der Ernährung auf das Krankheitsbild. Aus den aktuellen Forschungsaktivitäten können sich eventuell Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Therapiestrategien bei der MS und ganz generell bei Autoimmunerkrankungen ergeben, so die Hoffnung der Wissenschaftler. Die ersten vorliegenden Befunde verdeutlichen den Stellenwert der Ernährungsforschung bei der Multiplen Sklerose.