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Adhärenz - Herausforderung in der täglichen Praxis

Wird Patienten von ärztlicher Seite ein Medikament verordnet, so ist dies zwangsläufig mit der Erwartung verbunden, dass der betreffende Patient seine Medikation tatsächlich entsprechend der Anweisung seines Arztes einnimmt. Die Realität sieht leider anders aus, berichtet Professor Dr. John Weinman vom King´s College London. Schwerpunkt der Forschungstätigkeit des Psychologen ist das Thema Adhärenz, wobei es vor allem um die Fragen geht, warum viele Patienten nicht therapietreu sind und wie es gelingen kann, die Zuverlässigkeit bei der Umsetzung der verordneten Behandlung zu verbessern. Denn dies ist, so Weinman, eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die erwünschte therapeutische Reaktion tatsächlich realisiert werden kann. Es ist zugleich eine enorme Herausforderung in der täglichen Praxis.

Adhärenz, nicht Compliance ist gefragt

Der Begriff der Adhärenz ist vom früher gebräuchlichen Ausdruck der Compliance abzugrenzen. Mit Compliance wird dabei das Einhalten der einseitig durch den Arzt erteilten Therapieranweisung bezeichnet. Die Adhärenz beschreibt hingegen eine Art Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient, wobei der Patient explizit sein Einverständnis zur Behandlung gibt und versucht, die Therapieempfehlung umzusetzen. Auch wenn die Chancen auf eine tatsächliche Therapietreue damit besser zu sein scheinen, wird in der Realität eine volle Adhärenz oft nicht erreicht. Davon ist laut Weinman per definitionem auszugehen, wenn der Patient weniger als 80 Prozent der Anweisungen seines Arztes Folge leistet.1 Die Non-Adhärenz ist sehr häufig die Realität, viele Patienten brechen früher oder später die Therapie eigenmächtig ab oder nehmen beispielsweise die verordneten Medikamente nicht wie angeordnet ein. Wie hoch der Anteil der Patienten ist, die sich so verhalten, hängt von der Erkrankung ab, davon wie lange die Therapie durchgeführt werden soll, von der Wirkung respektive den Nebenwirkungen der Behandlung und auch von der Frage, wie und wie häufig das jeweilige Medikament eingenommen werden muss. „Leider sehen wir auch bei chronischen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose, dass es vielen Patienten offenbar schwer fällt, die Behandlung konsequent durchzuführen“, erklärt der Psychologe.

Erhöhtes Komplikationsrisiko bei Non-Adhärenz

Wer allerdings den Therapieempfehlungen seines Arztes nicht folgt, muss damit rechnen, dass sich die jeweilige Erkrankung nicht bessern wird und möglicherweise sogar verschlechtert und dass mehr Komplikationen auftreten. Für die Multiple Sklerose bedeutet das nach Weinman, dass sich als Folge der mangelnden Adhärenz möglicherweise neue Läsionen im Gehirn bilden, dass die Krankheitsaktivität zunehmen kann und sich vermehrt akute Krankheitsschübe ereignen und auch in Behinderungen und einer Hospitalisierung des Patienten münden können. „Das ist leider vielen Patienten nicht bewusst“, sagt Weinman. „Vor allem wenn keine akuten Beschwerden bestehen, werden Medikamente oft einfach weggelassen“.

Gute Krankheitseinsicht kann die Adhärenz bessern

Eine wichtige Voraussetzung für Adhärenz ist nach Angaben Weinmans eine gute Krankheitseinsicht des Patienten und die Akzeptanz, dass eine Behandlung seiner Erkrankung medizinisch erforderlich ist. Dies gilt es im Arzt-Patienten-Gespräch zu vermitteln: „Es ist wichtig, den Patienten verstehen zu helfen, dass Medikamente nicht wirken können, wenn sie nicht eingenommen werden“, erklärt der britische Psychologe. Bezogen auf die MS bedeutet das, dass Patienten verstanden haben, dass MS-Therapeutika die Multiple Sklerose nicht heilen, dass sie aber sehr effektiv wirken und dass durch ihre Einnahme Krankheitsschübe verhindert und der Entwicklung von Behinderungen vorgebeugt werden kann. „Das sind wichtige Aspekte, die den Betroffenen helfen, ihre Mobilität und ihre Lebensqualität langfristig zu erhalten“, so Weinman. „Und genau diese Perspektive kann Patienten bei der Adhärenz helfen“. Mit einem einzigen Gespräch ist dies aus seiner Sicht jedoch nicht getan. Die Adhärenz sollte laut Weinman immer wieder hinterfragt werden, damit Patienten auch mittel- und langfristig ihrer Therapie treu bleiben. „Man muss die Patienten regelmäßig motivieren, adhärent zu sein“, erklärt Weinman.

Therapieprobleme hinterfragen

Ergeben sich Zweifel an der Adhärenz, ist der Arzt gefordert, die hierfür verantwortlichen Probleme zu eruieren. So kann es sein, dass Patienten Schwierigkeiten mit der Einnahme der Medikamente haben, beispielsweise weil sie diese schlecht aus dem Blister bekommen oder weil sie eine Injektionstherapie durchführen soll, aber eine Spritzenphobie oder -müdigkeit aufweisen. Auch die Häufigkeit der Medikamenteneinnahme kann eine Rolle spielen: „Einmal täglich ist für den Patienten einfacher zu realisieren als dreimal täglich“, betont Weinman. Möglich ist auch, dass der Patient im Erstgespräch die ärztliche Anweisung nicht genau verstanden hat, sich aber nicht traut nachzufragen. Es kann ferner sein, dass der Patient sein Medikament in der Apotheke nicht besorgen kann, ihm aber die soziale Unterstützung hierbei fehlt. Besonders problematisch ist es, wenn der Patient das ihm verordnete Medikament nicht gut verträgt und Nebenwirkungen entwickelt. Viele Patienten scheuen sich, dies gegenüber dem Arzt zu verbalisieren und nehmen als Konsequenz ihre Medikation nicht länger ein, erklärt Weinman: „Deshalb sollte man als Arzt immer wieder hinterfragen, wie gut das verordnete Medikament vertragen wird und ob möglicherweise Nebenwirkungen auftreten“. Studien zufolge wird nach Weinman das Problem des Vergessens der Medikamenteneinnahme oftmals überschätzt.1 Ergeben sich dennoch Hinweise auf eine solche Problematik, so sollte versucht werden, dem Patienten entsprechende Hilfen aufzuzeigen, wie sich der Einnahmemodus einfacher gestalten lässt. So kann es laut Weinmann hilfreich sein, wenn alle Tabletten, die eingenommen werden müssen, tagesaktuell für die ganze Woche vom Patienten oder einem Angehörigen in eine kleine Tablettendose eingefüllt werden oder wenn sich der Patient über eine entsprechende App an die Medikamenteneinnahme erinnern lässt.

Zusammenfassung

Dreh- und Angelpunkt der Adhärenz ist nach Professor John Weinman vom King´s College London die Krankheitseinsicht der Patienten und ihre Motivation, therapietreu zu sein, sich also weitgehend konsequent an die Verordnungen des Arztes zu halten. Tatsächlich aber hapert es laut Weinman oft an der Therapietreue. Diese Problematik sollte man aus Sicht des Psychologen als behandelnder Arzt stets im Blick behalten. Dazu gehört auch, Patienten regelmäßig zu fragen, ob sie Schwierigkeiten mit der Behandlung haben, ob Nebenwirkungen aufgetreten sind und ob sie es schaffen, ihre Medikamente regelmäßig einzunehmen. Laut Weinman sollte immer wieder bewusst gemacht werden, dass die Medikamente nur wirken können, wenn sie regelmäßig entsprechend den Anweisungen eingenommen werden. Menschen mit Multipler Sklerose sollten in diesem Zusammenhang verstehen, dass das Weglassen der Medikation Komplikationen wie einer stärkeren Krankheitsaktivität, akuten Krankheitsschüben und der Entwicklung von Behinderungen den Weg bahnen kann.
 

Apropos

Geringere Hemmschwelle gegenüber der MS-Nurse

Nicht selten haben Patienten eine gewisse Scheu, Probleme mit der Medikamenteneinnahme gegenüber ihrem Arzt anzusprechen. Deutlich geringer ist die Hemmschwelle laut Professor Dr. John Weinmann, London, normalerweise gegenüber der MS-Nurse. Der Psychologe plädiert deshalb dafür, die MS-Nurse in den Dialog zur Adhärenz miteinzubeziehen, Probleme wie eine Non-Adhärenz zu eruieren und Patienten die potenziellen Konsequenzen zu verdeutlichen. Ziel sollte es dabei nicht sein, Patienten zu verängstigen oder zu verurteilen. Vielmehr sollten die Gespräche für eine gute Krankheitseinsicht sorgen und dafür, dass Patienten erkennen, dass die Medikamenteneinnahme notwendig ist, um sie vor negativen Folgen der Erkrankung zu bewahren.

Referenzen

  1. Choudhry NK et al., JAMA International Medicine 2017; 177 (5): 624-631

MAT-DE-2101690 v1.0 (04/2021)

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